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Kamerataugliche Güte

Kamerataugliche Güte

Hollywood-Stars geben sich gern ökologisch und sozial engagiert. Wie viel davon ehrlich gemeint ist und wie viel nur Imagepflege, ist schwer zu sagen.

Anfang der siebziger Jahre wurde Bob Dylan von einem Reporter gefragt, ob er sich vorstellen könnte, sich für das Amt des amerikanischen Präsidenten zu bewerben, schließlich sei er für einen Großteil der Jugend zur Ikone der Hoffnung geworden. Dylan lachte kurz und antwortete:

„Warum sollte ich? In diesem Amt kann man am wenigsten für die Menschen bewirken. Ein amerikanischer Präsident ist wie jeder andere politische Führer lediglich der verlängerte Arm der wahrhaft Mächtigen. Er hat durch seine Unterschrift zu legitimieren, was sich diese an gewinnbringenden Schweinereien ausdenken.“

„A Hard Rain‘s A-Gonna Fall“ — daran hat sich nichts geändert, im Gegenteil: Die „Masters of War“ treiben ihr perverses Spiel inzwischen ungestört auf die Spitze und nichts deutet darauf hin, dass sich die Zeiten ändern werden, wie Dylan in einer früheren Hymne behauptete. „Stell dir vor, es ist Frieden und keinen interessiert es“ — so ließe sich in Abwandlung eines alten Sponti-Spruches („Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“) die lethargische, fast willfährige Reaktion der deutschen Bevölkerung auf die im Fahrwasser einer kriegsgeilen USA agierenden linksgrünen Bundesregierung beschreiben, der jeglicher Kompass zum Frieden abhanden gekommen ist, während sich die Friedensbewegung, falls man denn überhaupt noch von einer solchen sprechen kann, im digitalen Sumpf verirrt hat.

Nein, für die paranoiden Menschenverachter aus Wirtschaft und Politik besteht kein Grund zur Besorgnis. Sie werden ihren Massenmord an Pflanzen, Tieren und Menschen ungestört weiter betreiben. Ihr vom Wachstumswahn getriebenes zinsbasiertes Schuldgeldsystem braucht ab und zu einen kräftigen Krieg, um zu überleben.

Und so brechen sie diesen vom Zaun, wann und wo immer es ihnen beliebt. Sollte sich in unserer narkotisierten I-Phone-Gesellschaft tatsächlich so etwas wie Widerstand regen, so haben sie diesen schon auf dem Radar, lange bevor er ausbrechen kann.

Während wir auf den Social-Media-Wiesen in den Klick-Wahn verfallen, uns austauschen, empören und anpöbeln, nutzen sie die von uns hinterlegten Daten, um damit ihr in aller Stille installiertes und perfekt funktionierendes Überwachungssystem zu füttern, was wiederum ihren hochgerüsteten Polizeiapparat in Alarmbereitschaft versetzt, der nur heranwachsen konnte, weil große Teile der Öffentlichkeit über ihre Medien erfolgreich mit Angst terrorisiert werden. Dass dies immer wieder und in Perfektion funktioniert, mögen ja selbst die Strippenzieher der Angst kaum glauben.

Was sie dabei erstaunlicherweise zu übersehen scheinen, ist die Tatsache, dass ihrem teuflischen Spiel inzwischen an zwei Fronten natürliche Grenzen gesetzt sind. Sie können im Machtrausch noch so virtuos die Keulen schwingen, die kleinste Unachtsamkeit reicht aus, um sämtliches Leben auf der Erde in Staub zu verwandeln. Das zweite, was ihrem Treiben ein „natürliches“ Ende setzen wird, ist der drohende Ökozid. Es gehört zu den Paradoxa unserer Zeit, dass es noch nie so einfach war, sich so schnell und — bei geschickter Recherche — auch so zuverlässig jede benötigte Information zu beschaffen, während wir andererseits auf die verheerenden Entwicklungen kaum Einfluss zu nehmen vermögen. Wissenschaftler warnen seit Jahrzehnten davor, dass dieses global agierende, Ressourcen fressende Wirtschaftssystem uns allmählich sämtlicher Lebensgrundlagen beraubt. Inzwischen ist diese Tatsache in den Köpfen vieler Menschen auch angekommen. Die Zahl derer, die die Seele der Gierkultur satthaben, ist beträchtlich. Dem Tsunami der Zerstörung ist damit jedoch nicht beizukommen.

Die Psychologie hat angesichts der Ratlosigkeit, in der sich die Menschheit zurzeit befindet, den Begriff der kognitiven Dissonanz geprägt. Wir sehen uns einem Übermaß an Problemen gegenüber, während wir gleichzeitig glauben, dass es dafür keine Lösungsmöglichkeiten gibt.

Kognitive Dissonanz (1). Ein unangenehmes Gefühl. Vor allem wenn es sich wie ein schleichendes Gift in die Gesellschaft frisst. Um dieses Gefühl abzumildern und einer kollektiven Depression vorzubeugen, bräuchte es eine Gehirnwäsche der besonderen Art. Sie sollte die Dinge schonungslos beim Namen nennen und die Massen trotzdem dazu aufmuntern können, den Mut nicht sinken zu lassen. Eine Art medialer Supermann wäre gut. Die Politik gibt so eine Person nicht her, das wissen wir spätestens seit Barack Obama. Wirtschaft und Sport? Nein. Bleibt die Kunst. Aber nicht die brotlose, auf die hört keiner. Es müsste schon ganz großes Kino sein, um wahrgenommen zu werden, nach dem Motto „The entire World needs to hear this!“ Großes Kino, etwas wie Hollywood …

Moment mal! Sie sind doch längst unterwegs, unsere Celluloid-Heroes. Blicken sie uns in ihren Video-Statements nicht regelmäßig mit großer Eindringlichkeit an, um uns auf den Ernst der Lage hinzuweisen, und rufen sie dort nicht vehement dazu auf, endlich tätig zu werden? Haben wir sie nicht alle schon mal „gelikt“ und „geteilt“, weil wir ihr Engagement so löblich fanden? Sie engagieren sich nicht für den Frieden, das nicht, sie sprechen sich auch nicht explizit gegen das wahnsinnige Treiben ihrer Regierungen in der Ukraine aus, nein, nein, es geht ihnen um mehr. Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Robert Redford, Woody Harrelson, Jeff Bridges, Julia Roberts, Harrison Ford, Kevin Spacey, Edward Norton, Penélope Cruz, Reese Witherspoon, Liam Neeson, Salma Hayek — sie alle ergreifen Partei für Mutter Erde.

Einige leihen unserem Planeten sogar ihre Stimme, damit er uns in angemessener Weise und wohl prononciert von den Schmerzen berichten kann, die wir ihm antun. DiCaprio ist mit Sicherheit der Superstar unter den prominenten Eco-Fightern. 1998 hat er seine eigene Stiftung gegründet, die „Leonardo DiCaprio Foundation“ um andere Initiativen zu unterstützen, die sich für eine nachhaltige Zukunft des Planeten einsetzen.

Das Themenspektrum der Weltenretter aus Hollywood ist breit gefächert. Sie plädieren für sozialverträglichen Kaffeeanbau, kämpfen gegen die Abschlachtung von Elefanten oder Haien und machen sich für den Schutz der letzten Tiger stark, deren Zahl in hundert Jahren von 100.000 auf nunmehr 3.200 wildlebende Tiere geschrumpft ist.

Jeff Bridges beklagt unseren fahrlässigen Umgang mit Plastikmüll. Colin Firth berichtet über das Schicksal der Awa, denen der Urwald unterm Arsch abgefackelt wird, und er wird entsprechend wütend dabei. Das ehemalige Supermodell Gisele Bündchen lässt die Welt wissen, dass die Flip-Flops ihrer Kollektion „Ipanema“ ohne Gummi aus dem brasilianischen Regenwald produziert werden.

Auf ecowoman.de erfahren wir, dass Cate Blanchett in ihrem Privathaus voll auf Solar setzt und sich auch sonst für energieeffiziente Gebäude, gegen Atomkraft oder für eine nachhaltige Landwirtschaft stark macht. Sigourney Weaver engagiert sich für die Rainforest Foundation, und Penélope Cruz organisiert seit 2007, zusammen mit dem Kollegen Orlando Bloom und mit Hilfe der Umweltorganisation Global Green USA, eine alternativ angetriebene Fahrzeugflotte, um die Stars bei den Oscar-Verleihungen umweltfreundlich zu den diversen Events zu fahren.

„So setzen Penélope Cruz und ihre Kollegen ein Zeichen für eine umweltfreundliche Fortbewegung“, heißt es in einer Presseerklärung. Na bitte. Die engagierte Tierschützerin Natalie Portman riskierte schon ein wenig mehr: Sie ging für eine „Animal Planet“-Dokumentation auf Trekking-Tour durch Ruandas Regenwälder, die Heimat der bedrohten Berggorillas. Hollywood-Aktrice Jessica Alba kämpft gegen Chemikalien in Konsumgütern. Die Mutter zweier Kinder gründete konsequenterweise eine Firma, die umweltfreundliche Babyartikel herstellt.

Es wären noch Dutzende anderer Beispiele zu nennen, und nicht immer ist klar, ob es sich um ein ernsthaftes Anliegen oder um Image-Politur handelt — denn dass man mit einem umwelt- oder sozialpolitischen Engagement inzwischen eine Menge Pluspunkte sammeln kann, hat sich natürlich auch in Hollywood herumgesprochen. Und so steigen sie denn in die Bütt und wettern, was das Zeug hält. Jeremy Irons zum Beispiel:

„Es scheint, als steckten wir in einer Welt, in der wir keine einzige Sache mehr ändern könnten. Jedes Mal, wenn wir die Nachrichten checken, werden wir durch ein Erdbeben oder einen Sturm oder eine finanzielle Katastrophe erschüttert. Wir wissen über die schlimmsten Dinge Bescheid, obwohl wir nicht dabei waren. Es sieht so aus, als ob alles überall verrückt spielt. Deswegen gehen wir auch nicht mehr raus, bilden uns aber dennoch ein, dass wir mit allen Menschen in der Welt verbunden sind. Aber das ist nicht wahr! Auf der ganzen Welt leiden Menschen an Hunger! An chronischem Hunger! Eine Milliarde von uns …Das ist mies! Schlimmer, das ist Wahnsinn! Verdammt noch mal! Das muss uns wütend machen! Ich will, dass Sie wütend werden! Ich will, dass Sie aufstehen! Jetzt! Stecken Sie Ihren Kopf aus dem Fenster und rufen: Ich bin so wahnsinnig wütend und ich werde nicht zulassen, dass eine Milliarde Menschen hungern! Sagen Sie’s denen!

Ich weiß nicht, ob der gute Jeremy mit diesem Video-Auftritt wirklich gut beraten war. 1976 war es, als der Regisseur Sydney Lumet mit „Network“ einen bemerkenswerten Film drehte, in dem der Fernsehmoderator Howard Beale (gespielt von Peter Finch) vor laufender Kamera ausrastet und den Leuten folgende Sätze entgegen brüllt:

„Ich will, dass ihr wütend werdet. Ich weiß nicht, was man gegen die Depression tun kann, die Inflation und gegen die Verbrechen auf den Straßen. Ich weiß, dass ihr erst einmal wütend werden müsst! Ihr müsst sagen ‚Ich bin ein menschliches Wesen, verdammt noch mal, mein Leben hat einen Wert!‘ Ich will, dass ihr alle aufsteht, zum Fenster geht, den Kopf raussteckt und schreit: ‚Ihr könnt mich alle am Arsch lecken, ich lass mir das nicht mehr länger gefallen!‘“.

Ist es nicht herrlich zu sehen, wie Hollywood bei sich selber klaut? Damals war es pure Unterhaltung, nicht wahr, Jeremy, aber jetzt musste es mal ernsthaft gesagt werden, das verstehen wir doch.

Ich betrachte die Warnungen und Mahnungen der Celluloid-Heroes inzwischen mit gemischten Gefühlen. Im Zeichen des Untergangs scheint es der Unterhaltungsindustrie zu gelingen, uns ruhig zu stellen, in dem sie uns ein paar Glanzlichter der Empörung aufsetzt, die uns den Eindruck vermitteln sollen, dass die Welt endlich zu Bewusstsein gekommen ist. Verschwörungstheorie? Mag sein. Auf jeden Fall ist plötzlich wieder alles so schön bunt hier, um mit Nina Hagen zu sprechen.


Quellen und Anmerkungen
(1) Zu den kognitiven Fähigkeiten eines Menschen zählen u. a. die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit, die Erinnerung, das Lernen, das Problemlösen, die Kreativität, das Planen, die Orientierung, die Imagination, die Argumentation, der Wille, das Glauben und einige mehr. Auch Emotionen haben einen wesentlichen kognitiven Anteil. — Quelle: Wikipedia


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